Meine Gesundheit, meine Behandlung

Meine Gesundheit, meine Behandlung

On Demand vs. Prophylaxe

Die Behandlung der Hämophilie kann On Demand oder prophylaktisch erfolgen. Der Begriff On Demand kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „bei Bedarf“. Prophylaktisch wiederum kommt aus dem Lateinischen und meint, etwas vorbeugend oder vorsorglich zu tun.

Der Fußballvergleich macht den Unterschied dieser zwei Ansätze deutlich: Auf dem Fußballplatz wäre eine On-Demand-Strategie vergleichbar mit einem Torwart, der sich blitzartig in Bewegung setzt, wenn der Ball auf das Tor zugeschossen kommt – und so das Tor erfolgreich verhindert. Bei der prophylaktischen Spielführung hingegen würde eine starke Abwehrreihe vor dem eigenen Kasten aufgebaut, die dafür sorgt, dass der Ball erst gar nicht in den eigenen Strafraum und in bedrohliche Tornähe gelangen kann.

Beide Behandlungsansätze haben Vor- und Nachteile. Welcher Weg für Dich der beste ist, musst Du selbst herausfinden. Dabei bist Du aber nicht allein: Dein Arzt, Deine Eltern, Dein Hämophilie-Zentrum und vielleicht auch enge Freunde können Dich beraten und bei Deiner Entscheidung unterstützen.

Junge in rotem T-Shirt hört dem Arzt zu

Bei Bedarf oder vorbeugend: Vor- und Nachteile

Bei der On-Demand-Behandlung kommt ein Faktorpräparat nur bei Bedarf zum Einsatz. Das kann z. B. bei einer spontan auftretenden Blutung sein oder auch bei einer medizinischen Behandlung wie etwa einem Zahnarztbesuch. Solange jedoch keine Blutung absehbar ist bzw. auftritt, ist auch keine Behandlung notwendig. Der Vorteil der On-Demand-Behandlung ist also eine gewisse Bequemlichkeit.

Es gibt allerdings auch bedeutende Nachteile: So kommt es bei Hämophilie häufig zu kleinen, unbemerkt ablaufenden Blutungen, z. B. in den Gelenken. Auch wenn diese kleinen Blutungen anfangs meist unauffällig sind – mit der Zeit schädigen sie die Gelenke und können zu einem ernsthaften Gesundheitsproblem werden.

Studien belegen, dass die Zahl dieser Blutungen bei der On-Demand-Behandlung deutlich höher ist als bei der vorbeugenden Therapie. So wertete eine Gruppe britischer Wissenschaftler 19 verschiedene Studien aus und kam zu dem Ergebnis: Die Anzahl der Blutungen und der wiederkehrenden Einblutungen in die Gelenke (med. Hämarthrose) sowie die Zahl der Krankenhauseinweisungen sind bei Prophylaxe-Patienten niedriger verglichen mit On-Demand-Patienten (vgl. O’Hara, Jamie et al., Long‐term outcomes from prophylactic or episodic treatment of haemophilia A: A systematic review. Haemophilia 2018, 24 (suppl 2)).

In einer anderen Studie fanden Wissenschaftler heraus, dass die Prophylaxe auch die Zahl der Fehltage am Arbeitsplatz bzw. in der Schule verringert. Mit Prophylaxe betrug die Zahl der Fehltage im Schnitt 3,9 – ohne Prophylaxe jedoch 34,6 Fehltage (vgl. Tagliaferri et al., Effects of secondary prophylaxis started in adolescent and adult haemophiliacs. Haemophilia 2008, 14(5): 945-51).

Wie entscheiden?

Statistiken und Studienergebnisse sprechen eindeutig für eine Prophylaxe. Doch es geht um Dein Leben und Du musst die Entscheidungen für Dich treffen. Sinnvoll ist es, die Prophylaxe einfach einmal zu testen. Dafür legst Du in Absprache mit Deinem Arzt einen bestimmten Zeitraum fest und ziehst danach Bilanz: Wie hast Du die Behandlung wahrgenommen? Was sagen Deine Eltern oder enge Freunde zur Therapie? Und was empfiehlt Dein Arzt? Auf der Basis Deiner Erfahrungen und des Feedbacks von anderen kannst Du eine fundierte Entscheidung treffen.

Der Umgang mit Spritze & Co.

Egal ob On Demand oder als Prophylaxe: Anfangs ist das Handling von Spritze und anderen Hilfsmitteln immer ungewohnt. Doch mit der Zeit spritzt Du Dich ganz routiniert. Dann bist Du zudem nicht mehr darauf angewiesen, dass Deine Eltern oder andere Personen Dich spritzen – und gewinnst mehr Selbstständigkeit.

Mit etwas Übung und Erfahrung ist das Spritzen kinderleicht. Manchmal mag aber ein gewisser Widerwillen, sich zu spritzen, einfach nicht verschwinden oder wird sogar stärker. Mit der Zeit kann sich daraus eine sogenannte Spritzblockade entwickeln. Diese hat nichts mit handwerklichem Geschick zu tun, sondern sitzt allein im Kopf. Musst auch Du Dich immer wieder zum Spritzen überwinden, sprich darüber mit Deinem Ansprechpartner im Hämophilie-Zentrum. Die Zentren sind vertraut mit dieser Problematik und können Dich professionell beraten. Zusätzlich können auch Gespräche mit einem Familienmitglied oder einem Freund helfen, die Spritzhemmung zu überwinden.